Der Eisberg der Projekt-Kommunikation
Kommunikation wird zu den “wichtigsten Erfolgsfaktoren im Projektmanagement” gezählt. Gibt es Verzögerungen, Störungen oder Beschwerden im Projekt, werden diese oft auf Kommunikationsprobleme zurückgeführt. Ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten gelten deshalb als absolutes „Must-Have“ für Projektleiter:innen.
Erstaunlicherweise schlägt sich diese allgemeingültige Auffassung nicht richtig in der Praxis nieder. Kommunikation wird in der Regel recht eng gefasst: Gemeint ist meist die Steuerung des Informationsflusses innerhalb des Projektteams und zu Lieferanten, Status Updates und Reportings an das Steering Committee; eventuell geht es auch noch um die zwischenmenschliche Kommunikation im Team. Die Kommunikationserfordernisse gehen jedoch bei einigen Projekten deutlich darüber hinaus, insbesondere wenn:
a. das Projekt ein hohes Maß an Veränderung für diejenigen bedeutet, die später mit dem Projektergebnis arbeiten müssen, und/oder
b. das Projekt ein hohes öffentliches Interesse erzeugt und für PR-Zwecke genutzt werden soll
Die Aufgaben erweitern sich dann um die Koordination von Maßnahmen wie:
Aktives Change Management mit entsprechenden Kommunikationsansätzen (häufig mit aufwendigen Dialogformaten in Form von Workshop-Reihen oder Veranstaltungen)
Positionierung des Projekts in internen Unternehmensmedien, z.B. im Intranet
Pressearbeit, von der Veröffentlichung einer Pressemitteilung bis hin zu Beantwortung von Fragen durch Journalisten oder Führen von Interviews
Externe Infoveranstaltungen (für bestimmte Interessensgemeinschaften)
Projektkommunikation kann also komplex und zeitintensiv sein.
Auch wenn man auf Experten im Unternehmen zurückgreifen kann, um die Durchführung von Maßnahmen zu realisieren (wie PR-Manager, die sich um die Erstellung einer Pressemitteilung kümmern, interne Kommunikatoren, die einen Artikel für die Mitarbeiterzeitung verfassen, oder Event Manager, die bei der logistischen Planung einer Informations-Roadshow unterstützen), verbleiben ganz entscheidende Verantwortlichkeiten bei der Projektleitung:
Strategische Kommunikationsplanung: Entwicklung der Kommunikations- und Change-Management-Strategie sowie Umsetzungsplanung
Koordination: Steuerung von internen Kolleg:innen und externen Dienstleistern, die einzelne Kommunikationsmaßnahmen realisieren sollen
Content-Verantwortung: Bereitstellung, Prüfung und Abstimmung von Inhalten und Kommunikationsmaterial
Illustration: Was wir als Projektmanagementaufgaben sehen - und wieviel mehr dahintersteckt.
© Grafik: Eira auf Pixabay / Inhalt: L. Glatzel
Bei größeren, komplexeren Projekten kann Kommunikation und Change Management, selbst wenn es personelle Unterstützung in der Ausführung gibt, eine Vollzeittätigkeit sein. Eine Tätigkeit, die noch dazu spezielle Expertise erfordert. An der Stelle verwundert es gar nicht mehr so sehr, dass (Change-)Kommunikation längst nicht in dem Umfang geplant wird, wie sie eigentlich nötig wäre. Projektleiter:innen haben gar nicht die Kapazitäten, diese Aufgabe zu übernehmen, und haben oft auch keine Ausbildung im Kommunikations- und Change-Management. Nicht selten werden sie mit diesem Thema ziemlich allein gelassen, weil kein Budget dafür bereitgestellt wird, das Projektteam mit einem/r Kommunikator:in und Change Manager:in zu verstärken. Und beschweren sich die Projektstakeholder irgendwann wegen Intransparenz oder mangelnder Einbindung, zieht sich das Senior Management gerne auf die Haltung „Kommunikation ist doch Kernaufgabe der Projektleitung“ zurück.
Es ist naheliegend, warum so viele Projekte an „Kommunikationsproblemen“ leiden. Obwohl es durchaus gute Möglichkeiten gibt, sich hier besser aufzustellen – sei es durch eine interne oder eine externe Unterstützung von Projektteams durch Kommunikations- und Change-Management-Expert:innen. Das kostet natürlich - aber der Return-on-Investment ist in der Regel hoch.